Charakterentwicklung ist so ein Ding. Zum einen meint das Wort die persönliche Entwicklung eines Charakters, zum anderen meinen Ansatz als Autor:
Wer ist denn das überhaupt, der da handelt?
Ich liebe es, Charaktere und ihre Beziehungsgeflechte zu entwerfen, den Versuch zu unternehmen, mich in die unterschiedlichsten Persönlichkeiten hineinzuversetzen. In meinem Notizbuch schlummern viele Charaktere, die wahrscheinlich niemals zum Leben erweckt werden, ganze Welten und dutzende Abenteuer, die mit ihnen zusammenhängen und niemals das Licht des Tages erblicken. Da wünscht man sich, man hätte vier Hände mehr und der Tag noch ein paar zusätzliche Stunden!
Für jeden einzelnen meiner Helden, Antihelden und Bösewichter habe ich ein bestimmtes Gefühl, das oft Ausdruck in einem Lied findet, das sich irgendwo in meiner Playlist versteckt oder das ich zufällig irgendwo höre. Und es muss nicht einmal mein eigener Musikgeschmack sein! Dabei spielen keine Textpassagen, Liedtitel oder bestimmte Melodien die ausschlaggebende Rolle, sondern ein ganz persönliches Gefühl, das in meinem Inneren entsteht. Manchmal verliere ich während des Schreibens das Gefühl für den einzelnen Charakter, wenn die Handlung gerade komplex wird und ich viele Fäden im Kopf behalten muss. Dann muss ich nur kurz in »sein« Lied hineinhören und weiß wieder Bescheid. Jedes meiner Bücher hat nicht nur eine eigene Playlist, die ich während des Schreibens als musikalische Untermalung nutze, sondern auch eine, die die Charaktere widerspiegelt.
Aber zurück zum eigentlichen Thema dieses Blogbeitrags: Meine Helden und »Ich«!
»Ich« – Was ist das eigentlich? Was ist ein Individuum? Wie wird man eins? Wann wird man eins?
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe mich immer wieder in meinem Leben gefragt: Warum ist man, wer man ist?
Wissenschaftler haben sich (gerade im Zusammenhang mit Kriminalistik) der Frage »Nature vs. Nurture« gewidmet, also: liegt unser Ich in unseren Genen verankert? Oder wird es durch äußere Einflüsse geprägt? Sie haben in den letzten Jahren herausgefunden, dass sich unser Ich in der Entwicklung durch ein ganzes Netzwerk aus feinen Verästelungen aus sich gegenseitig beeinflussbaren Faktoren schlagen muss, die beides beinhalten: »Nature and Nurture«. Keine Spur von »entweder, oder«. Das Netz ist so weit verzweigt, dass man nirgendwo den Finger drauflegen kann und sagen: »Das war der Punkt, an dem sich entschieden hat, wer du bist.« Es ist sogar erwiesen, dass sich persönliche Erfahrungen in einer Veränderung unserer Gene niederschlagen, Stichwort Epigenetik!
Warum erzähle ich euch das?
Die Crew der Elaios und ihre Beziehung zueinander spukten schon eine ganze Weile in meinem Kopf herum. Und im Gegensatz zu all den anderen Charakteren, die noch in meinem Notizbuch stehen, wollten sie einfach nicht geduldig warten, bis ich endlich die Zeit finde, sie zum Leben zu erwecken.
Die Leitstern-Romane waren meine ersten Bücher, die in der Entwicklungsphase mit den handelnden Personen anfingen und der Welt, in er sie leben, nicht mit der Handlung selbst. Allen meinen Büchern liegt eine einfache Frage zugrunde. Im Fall des Leitstern-Universums war es die Frage nach dem »Ich« und wie weit man sich frei entwickeln kann in einer Galaxis, die ihren Bewohnern systematisch jegliche Form von Individualität austreibt.
In meiner Charakterentwicklung für die Reihe habe ich ganze Absätze geschrieben, aber um es für euch möglichst spoilerfrei zu halten, liste ich euch nur die Fragen auf, die ich mir selbst zu jedem einzelnen Mitglied meiner Leitstern-Crew gestellt habe:
Captain Davian T. Bering
Wer willst du sein?
KomTek Anders Sedlung
Wer bist du hinter der Maske?
ExoArcho Kaleni Riana Draal
Wie kannst du sein, wer du bist?
Der Doc Mataias Tikil und Aiil:
Wer bist du ohne den anderen?
Yunah:
Wer bist du ohne die Gemeinschaft?
Monitor Sis-Par Gahl-Nok
Wer bist du ohne deine Erinnerungen?
SecTek Nick Merian (Fin):
Wenn dein Körper nicht dir gehört, wer bist du dann?
Das Schiff Elaios
Was bin ich?
Im Lauf der Erzählungen werden diese Fragen teilweise beantwortet, teilweise wird ein Prozess in Gang gesetzt, in dem sich jeder Einzelne seine eigene Antwort suchen kann und auch muss. Für manch einen fehlt noch die persönliche Katharsis, die das Finden einer solchen Antwort überhaupt erst ermöglicht, für Doc Tikil und seinem Symbionten Aiil zum Beispiel oder auch Sis-Par Gahl-Nok. Aber auch diese drei werden ihre Antwort finden, versprochen.
Neben all dem Suchen nach dem »Ich« kommen aber natürlich auch die Abenteuer nicht zu kurz und ich freue mich darauf, sie bald mit euch teilen zu können!
Bis demnächst
Eure Blake