Beta Teria, Archon Standardzeit 259.431.999.12.38.0

Tersa trat aus dem Schatten des Eingangs und blinzelte in das helle Licht des Raumhafens von Beta Terias. Nach dem dämmrigen Halblicht in seinem und Meleks Büro erschien ihm das geschäftige Treiben auf den Straßen greller und lauter, als es eigentlich war. Er blickte in die Richtung des Sauerstoffatmer-Docks, wo die Elaios vor einer Weile gelandet war. Sie hatten es gerade so geschafft, ihr Scoring nicht zu verlieren und sogar ein bisschen Plus gemacht und das, obwohl sie für eine Weile nicht erreichbar gewesen waren. Tersa grinste vergnügt in sich hinein. Es war ihm zu verdanken, dass die Unerreichbarkeit für einige Ahor nicht weiter aufgefallen war und auch in keinem der Berichte auftauchen würde. Melek würde sich versetzen lassen, wenn er davon erfuhr, deshalb behielt Tersa seine kleine Manipulation für sich. Zudem traute er dem Elethaner nicht ganz, der war ihm zu … folgsam. Und wer wusste schon, was er alles weitertrug, vor allem, wenn er sein Scoring so verbessern konnte.
Eine große, breitschultrige Gestalt ließ ihn plötzlich aufmerken. Kurzes, blondes Haar, an den Schläfen grau, kantiges Kinn mit dem man Berge hätte ebnen können. Alter Pilotenoverall, der einmal bessere Zeiten gesehen hatte – das konnte nur der Mann persönlich sein. Captain Bering. Tersas Herz schlug schneller, als er sich in Bewegung setzte, dem anderen hinterher. Bering stapfte durch die Menge, als wäre er nicht Teil davon. Er hatte die Schultern ein wenig hochgezogen und schien sich gegen die rempelnde Masse zu stemmen. Seine Schritte führten ihn direkt auf das Asimovs zu, eine Bar, die Tersa nie zuvor betreten hatte. Er zögerte einen Moment, dann raffte er all seinen Mut zusammen und betrat hinter Bering die Bar. Warmes Halblicht empfing ihn. Hinter dem Tresen stand ein großer Elethaner, der einige Gläser polierte. Ein Phonodroid spielte leise alte Gergta-Lieder, an den Wänden fanden sich beleuchtete Lasergravuren, die irgendetwas darstellten, das Tersa nicht erkennen konnte. War das eine Frau oder ein Baum? Ein Raumschiff vielleicht? Das System von Aktha-Huat? Jemand rempelte ihn von hinten und und stieß ein entschuldigendes Brummen aus. Tersa wandte sich um und sein Blick landete auf einem behaarten Bauchnabel, wanderte nach oben und oben und oben und erkannte schließlich ein grobes Gesicht mit langen Eckzähnen und kleinen Augen irgendwo in der Stratosphäre über Tersa 1. Ein Hork. Der Mensch verkrümelte sich schnellstens aus dem Weg, ehe dem Riesen einfiel, ungeduldig zu werden. Er fand sich an der Theke wieder und sah sich dem Elethaner gegenüber, der ihn breit angrinste und willkommen heißend mit seinen Barttentakeln wackelte.
»Was darf’s sein?«, fragte er.
»Ich … äh …« Er starrte hilflos den Bartender an.
»Der Timerische Sunblaster ist zu empfehlen«, sagte jemand neben ihm mit tiefer Stimme.
»Dann nehm ich den. Ich bin das erste Mal hier. Danke für …« Tersa wandte sich dem Sprecher zu und die nächsten Worte erstarben ihm auf der Zunge.
Bering musterte ihn ruhig und wartete darauf, dass er den Satz zu Ende sprach.
»… den Tipp«, brachte Tersa schließlich krächzend heraus.
»Noch wissen Sie nicht, wie er schmeckt«, Berings graue Augen verzogen sich amüsiert, auch wenn Tersa eine Art Traurigkeit darunter zu erkennen glaubte. »Aber ich wette, Sie werden es mir tatsächlich danken, mein Junge.«
Ein Glas tauchte wie aus dem Nichts vor Tersa auf, erfüllt von gelblich-rotem Leuchten. Ein herber Geruch stieg ihm in die Nase.
»Zum Wohl«, sagte Bering und hob sein Glas.
Tersa stieß mit ihm an und nahm dann einen vorsichtigen Schluck. Eine synästhetische Entladung folgte, die ihn fast vom Hocker stieß. Er schmeckte die Sonne umTimeria, roch die Farben der Dämmerung, sein Gehirn überschlug sich fast in dem Bemühen, alles zu begreifen.
Er fühlte eine kräftige Hand an seinem Rücken, die ihn auf seinem Sitz hielt. Er blinzelte sein Sichtfeld klar und langsam schälte sich Berings Gesicht aus dem Farbsturm. Er fühlte ein Grinsen an seinen Mundwinkeln ziehen, das ihm in der Spiegelung der Wand hinter dem Barmann irgendwie dämlich vorkam, aber das war ihm völlig egal. Timerischer Sunblaster! Wahnsinn!
Bering drückte ihm noch einmal aufmunternd die Schulter und wandte sich dann ab, dem Elethaner zu. Tersa versank im Nachglühen des ersten Schlucks und ließ gleich darauf einen zweiten folgen. Mitten in seiner Ekstase hörte er Bering leise sagen:
»Ich werd weggehen, Mac.«
»Dieses Mal wirklich?«
»Wirklich. Wollt mich nur persönlich verabschieden und nicht einfach verschwinden.«
Einen Augenblick hörte Tersa nur das Rauschen der Farben in seinem Kopf. Dann:
»Ich werd dich vermissen, Bering.«
Die Gestalt neben Tersa stand auf, streckte seinen Arm über den Tresen aus. Der Elethaner griff mit zweien seiner Arme zu und schüttelte die Hand des anderen kräftig.
»Wenn’s dir hier zu langweilig wird, komm mich besuchen.« Ein Lächeln lag in der Stimme.
»Ich werd ganz sicher drauf zurückkommen. Mach’s gut, Bering.«
»Mach’s gut, Mac.«
Der Platz neben Tersa war auf einmal leer und irgendwie kalt. Er rappelte sich auf, sah sich triefäugig um. Er sah gerade noch eine breitschultrige Gestalt durch die Tür verschwinden.
»Wo geht er hin?«, fragte er mit leichtem Lallen. »Kommt er wieder?«
»Ich glaube nicht.« Mac griff wieder nach seinen Gläsern und dem Polierlappen, den Blick noch immer auf der Tür. »Ich glaube nicht«, wiederholte er leiser.

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Backen ist so eine schöne Sache: Es duftet lecker im ganzen Haus, die Küche ist besonders warm und gemütlich und am Ende kommt auch noch etwas Leckeres dabei heraus. Im Gegensatz zur Küche, ist Backen im Weltraum allerdings tatsächlich noch totales Neuland und die Astronauten sehen sich Schwierigkeiten und auch Gefahren gegenüber. Jetzt kann man sich natürlich fragen, welchen Sinn es hat, auf der ISS Kekse zu backen. Die einfache Antwort lautet: Langfristig sollen die Lebensbedingungen im All verbessert werden. Wenn man sich anschaut, wie weit wir seit den ersten Mahlzeiten, die die Astronauten sich noch direkt aus Tuben in den Mund spritzen oder mit dem Strohhalm aussaugen mussten, dann haben sie es doch inzwischen ein wenig besser, unsere Pioniere im All!
Kochen und Backen im Weltraum ist eine der Hürden, die wir bewältigen müssen, wenn wir uns länger im All aufhalten wollen. Im Hinblick auf die langfristigen Pläne einer festen Raumstation auf Mond und Mars ein Thema, das tatsächlich nicht ganz unwichtig werden wird. Kochversuche in Schwerelosigkeit sind bisher überwiegend gescheitert, denn auf der Erde so einfache Dinge wie Zwiebelschneiden werden zu einer Gefahr, wenn herumfliegende Schalen oder kleine Stückchen die Filter verstopfen oder Geräte beschädigen. 2017 wurde die erste Pizza auf der ISS gebacken, tatsächlich mit mehr oder weniger frischen Zutaten und fertigen Teigrohlingen, jetzt im Dezember 2019 der Versuch mit den Keksen.
Verschiedene Fragen und Problematiken wurden angegangen:
Wie überträgt sich Hitze im Weltraum auf die Lebensmittel?
Wie kann man den Ofen unter kontrollierten Bedingungen abkühlen, so dass die heiße Luft nicht zur Gefahr wird?
Und wohin mit den verdammten Krümeln?
Wenigstens die letzte Frage werden die Astronauten leider nicht beantworten können oder müssen, denn die fertig gebackenen Kekse kommen zurück zur Erde, um dann dort analysiert zu werden, statt in den Mägen der Astronauten zu landen.
Bemannte Raumfahrt braucht Geld – und das wird überwiegend aus der Wirtschaft kommen, wenn man den momentanen Entwicklungen folgt. Der Versuch des Keks-Backens ist deshalb auch nicht ganz uneigennützig von eine US-amerikanischen Bäckereikette aus New York gesponsert worden. Fünf Tüten mit bereits vorbereitetem Teig wurde nach oben geschafft, was den Backspaß für die Astronauten erheblich minderte, da sie sie einfach nur noch in den etwa Mikrowellengerät-großen Ofen legen mussten. Natürlich nicht vorgeheizt, denn die Blase aus erhitzter Luft, die beim Öffnen der Tür entweicht, kann erheblichen Schaden und Verbrennungen anrichten. Bisher wird alles, was die Astronauten warm essen, mit einem Erhitzer auf 60° erwärmt – richtiges Backen ist mit solchen Temperaturen nicht möglich. Deshalb wurden die Kekse in einem von einem privaten Raumfahrt-Unternehmen gestellten speziellen Ofen bei unterschiedlichen Temperaturen unterschiedlich lang gebacken. Das Ergebnis: Kekse, die bei uns 20 Minuten bei 180° im Ofen sind, brauchen im All 2 Stunden. Bei 300°! Immerhin roch es wenigstens lecker auf der ISS, wenn man den Astronauten glauben kann.
Ob ihnen die Kekse allerdings überhaupt geschmeckt hätten, wird man in weiteren »Versuchen« testen müssen, denn der menschliche Geschmackssinn verändert sich im All. Die Geschmacksknospen der Zunge schwellen aufgrund der unterschiedlichen Flüssigkeitsverteilung des Körpers in Schwerelosigkeit an und viele Gerichte von oben wären für uns Erdlinge zu stark gewürzt oder schmecken »falsch«, die Vorbereitung des Essens für die Astronauten hier auf der Erde bringt also auch seine ganz eigenen Schwierigkeiten mit sich.
Nichtsdestotrotz würde ich zu gern mal eine Pizza aus dem Weltraum essen, vielleicht einen Pangalaktischen Donnergurgler dazu trinken und den Blick auf unseren kleinen blauen Planeten genießen …